Amnesty-Bericht: Vietnam unterdrückt kritische Stimmen im digitalen Raum

Vietnam ist ein alarmierendes Beispiel dafür, wie Staaten und Plattformbetreiber die Meinungsfreiheit im digitalen Raum einschränken. Der Amnesty-Bericht „Vietnam: Let us breathe“ skizziert ein detailliertes Bild davon, wie repressive Staaten in Zukunft die Geschäftsmodelle von Plattformen wie Facebook oder YouTube bestimmen und Menschenrechte einschränken können.

Anfang 2020 hat Facebook bekannt gegeben, seine Regeln zur Moderation von Inhalten auf der Plattform für Vietnam zu ändern und hat damit zum anhaltenden Shutdown der Meinungsfreiheit im Land beigetragen. Schon zuvor hat die vietnamesische Regierung die Räume für freie Meinungsäußerung immer weiter eingeschränkt und insbesondere kritische Stimmen zur Politik der Regierung zum Schweigen gebracht. Als Folge davon ist der digitale Raum immer wichtiger geworden. Die Menschen haben vor allem soziale Medien für Diskussionen, Informationsaustausch und Meinungsäußerungen genutzt, bis die Plattformbetreiber nachgegeben und Meinungsäußerungen stark eingeschränkt haben.

Das Besondere an den Entwicklungen in Vietnam ist, dass zum ersten Mal die großen Plattformbetreiber dem Druck einer autoritären Regierung nachgegeben und in ihren Regeln verankert haben, dass bestimmte Aussagen auf Facebook nicht mehr getätigt werden dürfen. In der Konsequenz hat das dazu geführt, dass im großen Stil Inhalte und Profile gelöscht wurden, die nicht mehr den neuen Richtlinien entsprochen haben.

Facebook hat nach der Änderung der Richtlinie einen Bericht veröffentlicht, aus dem ersichtlich wird, dass Einschränkungen und Löschungen von Beiträgen um 983 Prozent zugenommen haben, nachdem die neuen Regeln in Kraft getreten sind. Zu den Instrumenten der Einschränkungen gehört auch die «Geo-Blockierung» von als regierungskritisch eingestuften Inhalten. Gleichzeitig streuen der Regierung nahestehende Gruppen auf den Plattformen gezielt Falschinformationen und greifen einzelne Nutzer*innen an, um sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass Vietnam derzeit 170 Gefangene aus Gewissensgründen festhält, von denen 69 allein wegen ihrer Aktivitäten in den sozialen Medien hinter Gittern sitzen.

Diese Entscheidung hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit in Vietnam – es ist zu befürchten, dass auch andere Staaten versuchen werden, mithilfe der Online-Plattformbetreiber kritische Stimmen im Digitalen zu unterdrücken.

Das verletzt die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgelegten Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht ist – wie der UN-Menschenrechtsrat bestätigt hat – uneingeschränkt auch auf Meinungsäußerungen im digitalen Raum anwendbar. Vietnam hat den Pakt zwar unterzeichnet, handelt dem aber mit dem aktuellen Kurs laufend zuwider. Auch für Unternehmen wie Facebook und Google gilt die Verpflichtung, die Menschenrechte zu wahren, und zwar unabhängig davon, in welchem Land sie Online-Dienste anbieten.

Der Bericht „Vietnam: Let us Breathe“ ist das Ergebnis von Recherchearbeiten von Amnesty International zur Einschränkung der Meinungsfreiheit im digitalen Raum. Der Bericht basiert auf zahlreichen Interviews mit Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Schriftsteller*innen und auf Dokumenten von Facebook und Google. Der gesamte Bericht ist hier verfügbar: «Vietnam: Let us breathe. Censorship and criminalization of online expression in Viet Nam.» (In Englisch, PDF, 78 Seiten)

 

18. Dezember 2022