Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte umfasst 30 Artikel, in denen die Rechte eines jeden Menschen festgelegt sind. Diese Menschenrechte sind universell und gelten in allen Lebensbereichen, so auch bei der Anwendung digitaler Technologien. Da in der heutigen Welt offline und online kaum mehr zu trennen sind, erfordert der Einsatz für die Menschenrechte damit auch eine Berücksichtigung der Herausforderungen durch digitale Technik.
Die Themenkoordinationsgruppe „Menschenrechte im Digitalen Zeitalter“ beschäftigt sich mit den Gefahren für die Menschenrechte, die durch die weit verbreitete Anwendung digitaler Technologien bestehen können. Dazu gehört eine breite Palette an Bedrohungen, z.B. staatliche Massenüberwachung, Algorithmen und Menschenrechte, Fake News, Hass im Netz, biometrische Videoüberwachung und staatliches Hacking.
Wir stehen im engen Kontakt mit den internationalen Researchern und halten auch Kontakt zu anderen Organisationen, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Zu unseren Aufgaben gehört zudem die Unterstützung lokaler Gruppen.
Einige betroffene Menschenrechte
Wir setzen uns für die Durchsetzung aller Menschenrechte ein. Hier nennen wir einige Beispiele, wie einzelne Menschenrechte durch digitale Technologien betroffen sein könnten. Diese Beispiele sollen nur die Gefahren aufzeigen, sie sind nicht vollständig. Wir gehen davon aus, dass alle Menschenrechte gefährdet sein können.
Art. 1: (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)
Sind die Menschen noch frei, wenn sie überwacht werden? Werden sie ihr Verhalten anpassen? Sind sie noch gleich, wenn die Daten von Staaten oder privaten Firmen genutzt werden, um sie unterschiedlich zu behandeln? Beispiele sind: Zugang zu Wahlen, Recht auf einen Pass, Möglichkeit das Land zu verlassen und wieder einzureisen, Zugang zu Versicherungen und Krediten?
Art. 12: (Freiheitssphäre des Einzelnen)
Wie steht es um die Privatsphäre, wenn massenhaft Daten gesammelt werden und ausgewertet werden. Wie ist es, wenn Fotos digital veröffentlicht werden, ohne dass die Abgebildeten zugestimmt haben? Wie geht es einer Person, wenn Informationen über sie verbreitet wird, die sie nicht weitergeben wollte? Wie privat sind wir noch, wenn wir an öffentlichen Orten gefilmt und damit unserem Profil zugeordnet werden? Gibt es ein Recht darauf, dass Daten wieder gelöscht werden?
Art. 19 (Meinungs- und Informationsfreiheit)
Wie steht es mit dem Recht auf einen Internetzugang (Informationsfreiheit)? Was geschieht, wenn Staaten oder Konzerne den Zugang zur Information nicht ermöglichen? Ist Meinungsfreiheit noch gewährleistet, wenn Konzerne darüber entscheiden, welche Daten gelöscht werden? Trauen sich Menschen noch, ihre Meinung frei zu äußern, falls alle Daten gesammelt werden und gegen sie verwendet werden können?
Art. 21 (Allgemeines und gleiches Wahlrecht)
Wahlen und Abstimmungen werden gezielt beeinflusst. Es ist bekannt, dass die Firma Cambridge Analytica mittels digitaler Personendaten beim Brexit-Referendum und bei den US-Wahlen 2016 gezielt Desinformation und Manipulation betrieben hat.
Amnesty hat zudem festgestellt, dass weltweit gezielte Internetsperren rund um Wahlen zunehmen. In immer mehr Ländern werden zudem Kanditat_innen auch über digitale Kanäle bedroht.
Spannungsfeld Menschenrechte und Digitalisierung
Durch Anwendung digitaler Technologien ergeben sich einerseits große Chancen für die Menschenrechte, andererseits öffnet die Technologie auch neue Angriffsflächen auf die Menschenrechte. Im Hinblick darauf ist es von Bedeutung Menschenrechtsaktivismus sowohl auf eine Einhaltung der Menschenrechte in der aktuellen Nutzung digitaler Technik auszurichten als auch präventiv auf eine menschenrechtssensible Entwicklung der zukünftigen Digitalisierung zu drängen.
Ein großer Gewinn ist die Digitalisierung für den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen dahingehend, dass mithilfe digitaler Technik Verbrechen einfacher veröffentlicht werden und Menschen weltweit schneller darauf reagieren können. Außerdem ergeben sich für Menschenrechtsverteidiger*innen bessere Vernetzungsmöglichkeiten, und von Menschenrechtsverletzungen betroffene Menschen können schneller Unterstützung erhalten. Damit bieten sich neue Möglichkeiten für wirkungsvolle Dynamiken in den Protesten.
Gleichzeitig werden manche Menschenrechte durch digitale Technologien ausgehöhlt oder eingeschränkt. Allgegenwärtig ist die Gefahr des Verlustes der Privatsphäre durch massenhafte Datensammlung und -auswertung sowie die zunehmende Unfreiheit der Gesellschaft aufgrund von Überwachung und Manipulation. Meinungs- und Informationsfreiheit werden zunehmend von mächtigen Konzernen und restriktiven Regierungen bedroht. Neben direkten Bedrohungen sind jedoch auch indirekte Einflüsse wie der ‚Chilling Effect‘ nicht zu vernachlässigen.
Durch die globale Vernetzung gelten häufig nationalstaatliche Grenzen und Kompetenzen nicht als Hindernisse für Menschenrechtsverbrechen, wodurch der Schutz der Menschenrechte nicht auf die die Zuständigkeitsbereiche einzelner Staaten und Akteure begrenzt bleibt. Dem folgend sollte auch moderner Menschenrechtsaktivismus international gedacht werden.
Am 21. November 2019 veröffentlichte Amnesty International einen ausführlichen Bericht zu dem Thema „Facebook and Google’s pervasive surveillance poses an unprecedented danger to human rights“:
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/11/google-facebook-surveillance-privacy/
Am 20. Dezember 2019 wurde er durch folgenden Bericht ergänzt: “Ending the targeted digital surveillance of those who defend our rights: A summary of the impact of the digital surveillance industry on human rights defenders”